◄ . . . wartend . . .
► Start Nr. 9
4. Happening
Auch hier gibt es eine Zahl, die für die Komposition eine bedeutende Rolle spielt – nämlich die 7.
In der Instrumentalschicht stehen 7 diatonischen „Haupt”–Tönen (e fis gis a h cis dis –
E−Dur) 5 pentatonische „Neben”-Töne (b c d f g) zur Seite. Damit wird auf
der Ebene der Tonhöhen eine Art erste Rekapitulation vollzogen:
Im ersten Stück wird exponiert, dass in einem Ton alle 12 Töne (und nicht nur die!) enthalten sind, nun
verbindet sich Diatonik mit der im zweiten Stück vorgestellten Pentatonik wiederum zu einem 12−tönigen Total.
Ausgehend von der Vorstellung, dass hier etwas „von selbst”, nach einer Art natürlichen Ordnung
geschieht („was nun geschah . . .”) habe ich für die Organisation der zeitlichen Abläufe von der
Ebene der Formteile bis hinunter in die rhythmische Gestaltung die Fibonacci-Reihe gewählt – eine Reihe,
die viele Wachstumsvorgänge in der Natur beschreibt und den Goldenen Schnitt als Proportion annähert:
(1) 1 2 3 5 8 13 21 34 55 89 144 233
377 610 987 . . .
Maßeinheit der Zeit ist 1/16 bei einem Tempo von 1/8 = 70.
Die äußere formale Organisation gibt folgende Tabelle wieder:
Form- teil |
Bezeichnung | Dauer (1/16) |
|
---|---|---|---|
1 | Intro /+ Vocals | 233 | |
2 | Instrumental 1 | 144 | |
3 | + Vocals | 288 | (= 2 x 144) |
4 | Instrumental 2 | 89 | |
5 | + Vocals | 89 | |
6 | + Vocals | 88 | (= 89 - 1) |
7 | Coda (+ Vocals) | 56 | (= 55 + 1) |
insgesamt: | 987 |
Die Instrumentalschicht besteht aus 7 Stimmen:
Mandoline,
Klavier (rechte Hand),
Klavier (linke Hand),
Cembalo (rechte Hand),
Cembalo (linke Hand),
Celesta (rechte Hand),
Celesta (linke Hand)
Jede Stimme hat 7 x 7 = 49 Anschläge, insgesamt werden also 73 = 343 Anschläge
auf 987 1/16 mit Hilfe der oben erwähnten Fibonacci-Zeitorganisation in wechselnden Dichten
verteilt – wobei für die Anschlagslautstärken ebenfalls 7 verschiedene Werte (pp, p, mp, mf, f, ff, fff)
benutzt werden.
Zu der Instrumentalschicht treten – wie in der formalen Übersicht schon zu erkennen – Vokalstimmen,
die hier kurz erläutert werden sollen.
Im Teil 1 (Intro) erklingt der Satz „Was nun gay? – She as towns long sad shone, Claire.”
Bei diesem für Englischlehrer sicher etwas rätselhaften Gebilde handelt es sich um nichts anderes als eine
weitere Etym-Übersetzung des Satzes „Was nun geschah, ist uns längst schon klar.” (vgl. Paraphrase 2)
– hier thematisch exponiert (happening) als Prozess von nacheinander in der originalen Reihenfolge
erklingenden Worten bis hin zum Wort-Akkord (alle Worte gleichzeitig). Im Verlauf dieses Prozesses werden die
einzelnen Worte zusätzlich so transponiert, dass zunächst ein E−Dur-Feld und schließlich ein 12−töniges Feld entsteht.
Nach einem instrumentalen Zwischenspiel begegnet uns im 3. Teil wieder der aus der 1. Paraphrase bekannte
Satz „Nah am Abhang stand wartend die lange Anasthasia.” – diesmal verwandelt in das
norddeutsch anmutende „Nöö, om üpping Stint war't Ende lang her! – Nest hasse ja!”
Der 5. Teil kombiniert die bisher vorgestellten, gegensätzlich behandelten Materialien (englisch / plattdütsch,
Frauenstimme / Männerstimme, streng-schematisch / frei-humorig) auf lapidare Weise („sad” –
„ja”) und fügt weitere vokale Elemente hinzu:
am Beginn des Formteils hört man (aus weiter Ferne) den Sprechchor mit dem Ruf „Oi!”
(vgl. Paraphrase 3), und an dessen Ende ein Material, das tatsächlich schon in der 1. Paraphrase vorgestellt
wurde:
„Abraham” – hier moduliert zu „Eyebrow him”.
Der direkt anschließende 6. Formteil bringt eine kurz angedeutete Reprise der Teile 1 und 3, und in der Coda
taucht zum ersten Mal eine Vokal-Materialschicht auf, die weiter unten (Paraphrase 10, Morse-Schicht) genauer
beschrieben ist. Hier ist dieses Material soweit verklanglicht und in den Hintergrund gerückt, dass es nur
noch als Hallfahne zu den Klängen der Instrumentalschicht fungiert.
Stimmen: Sita Rajasooriya, Stefan Machhein, Nick Watson, Marcus Kuhles, Sprechchor
▲