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6. Dodekamidi

Die von Arnold Schönberg formulierte „Methode der Komposition mit 12 nur aufeinander bezogenen Tönen” und ihre konsequente Fortsetzung in der Seriellen Komposition, in der möglichst alles durch vorzugsweise eine einzige Zahlenreihe bestimmt ist, verbindet sich in dieser Paraphrase mit dem MIDI-Standard als einem Musizier- und Kompositionswerkzeug, das ebenfalls alle Parametereinstellungen durch Zahlenwerte definiert.

Dem Stück liegt folgende 12−Ton‑Reihe* zugrunde:
Dodekamidi, 12-Ton-Reihe
Dodekamidi, 12-Ton-Reihe mit Anmerkungen


Verwendet werden 12 (General-) MIDI-Instrumente:

Komponiert ist ein 12−stimmiger Kanon, das heißt: die Instrumente setzen nacheinander auf den Tönen der oben angegebenen Reihe ein und führen die Reihe in der jeweiligen Transposition als Original oder Umkehrung einmal durch (jedes Instrument spielt also 12 Töne):

Dodekamidi, 12-Ton-Kanon


Die Disposition der Oktavlagen geschieht folgendermaßen:

Es wird ein Gesamt-Tonraum von 8 Oktaven zugrunde gelegt – von Subkontra−Cis (MIDI‑Note 13) bis c5 (MIDI‑Note 108). Innerhalb dieses Tonraums gibt es 12 Oktavlagen-Konstellationen:

Die insgesamt 144 Anschläge (Toneinsätze) sind nach der aus der 4. Paraphrase schon bekannten Fibonacci-Reihe in diese Oktavlagen transponiert:

Dodekamidi, Zeitorganisation



Die zeitliche Organisation (Einsatzabstände und Tondauern) für jedes Instrument folgt Algorithmen, deren genaue Darstellung in diesem Rahmen zu viel Raum einnehmen würde – hier also nur so viel:

Grundlage bildet eine Skala von 12 Mensuren, die den 12 Tonhöhen zugeordnet sind:

Dodekamidi, Mensuren

Jede Stimme erhält nun ein Zeitraster, das aus Permutationen der 12 Mensuren nach der 12−Ton–Reihe (in einer der 12 möglichen Transpositionen als Original oder Umkehrung) gebildet ist. Einsatzabstände und Tondauern ergeben sich aus den Summen der Ordnungszahlen zweier benachbarter Mensuren modulo 3 bzw. modulo 5. :)

Auch für die Ermittlung der jeweiligen Dynamik („Velocity”) gibt es einen Algorithmus, da diese Werte im MIDI-Standard ja nichts weiter als Zahlen zwischen 0 und 127 sind.

Da die Wahrnehmung der Lautstärke von der Tonhöhe und der Dauer abhängig ist, wird zur Ermittlung der Dauer eines Tons zunächst ein (4/4 −) Takt in 3360 „Ticks” (= das kleinste gemeinsame Vielfache der Mensureinteilungen) unterteilt; die Tonhöhe ist die „MIDI-Note-Number” (zwischen 13 und 108, siehe oben).
Die verwendete Formel zur Lautstärkenberechnung lautet:

Velocity = ((MIDI−Note−Nr. x Tick−Anzahl) modulo 96) + 32

Für lange Töne von Instrumenten, die Haltetöne produzieren können (Bläser, Orgel, Streicher arco), gibt es weitere Vorschriften für crescendi und decrescendi, auf deren Erläuterung hier verzichtet werden soll.

Die schon in einigen vorherigen Sätzen vorgenommene Durchstrukturierung des musikalischen Materials und seiner Behandlung mittels Zahlen und Reihen wird in diesem Stück auf die Spitze getrieben.

Mal abgesehen davon, dass es dafür eine Reihe „formaler Aufhänger” gibt (z.B. die Aufteilung des Gedichtes in 12 Zeilen oder der MIDI-Standard als Methode zum „Musizieren mit Zahlen”), spielen auch inhaltliche Gründe eine Rolle dafür, in die Mitte des Zyklus eine Musik zu stellen, die einerseits völlig rational auflösbar erscheint („mit dem Rechenschieber komponiert”), andererseits aber unversehens eine eigene Expressivität und Rätselhaftigkeit entwickelt.